> Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch. <
Dieses Gedicht heißt "Ein Gleiches", wurde von Goethe verfasst und war das erste Gedicht, das ich auswendig konnte. Vor ein paar Minuten, als ich hinaus in die Sterne blickte, kam es mir in den Sinn.
Beim drüber nachdenken, warum genau jetzt, viel mir auch das "Abendlied" von Matthias Claudius ein. Ich bin mir sicher, ihr alle kennt es.
> Der Mond ist aufgegangen,
die goldenen Sternlein prangen
am Himmel, hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold
als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt.
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsere Augen sie nicht sehen.
Wir stolzen Menschnkinder
sind eitel arme Sünder
und wissen gar nicht viel.
Wir spinnen Luftgespinste
und suchen viele Künste
und kommen weiter von dem Ziel.
Gott, lass dein Heil uns schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
nicht Eitelkeit uns freun;
lass uns einfältig werden
und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein.
Wollst endlich sonder Grämen
aus dieser Welt uns nehmen
durch einen sanften Tod;
und wenn du uns genommen,
lass uns in` Himmel kommen,
du unser Herr und unser Gott.
So legt euch denn, ihr Brüder,
in Gottes Namen nieder,
kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen
und lass uns ruhig schlafen.
Und unsern kranken Nachbarn auch.<
Beides sind Texte aus meiner Kindheit. Ich hatte nämlich ein richtig tolles Buch mit zugehörigem Hörspiel. Keine Ahnung, wie das hieß, jedenfalls waren da viele Gedichte aus allen Epochen für Kinder aufbereitet. Zwischendrin wurde immer wieder was zu den Autoren erzählt oder zu der Zeit, in der diese lebten.
In mir hat dieses Buch, genauergesagt die CD, denn lesen konnte ich mit vier noch nicht so gut und auch später hab ich dieses Buch nur selten angefasst, aber die CD sehr oft :) Ich glaub ich muss beides mal suchen, das hat bestimmt keiner weggeworfen!
Beide Texte gehen erstmal augenscheinlich eigentlich nur ums einschlafen als solchen... Doch irgendwie thematisieren sie beide auch den Tod... Und ich glaube deshalb gefallen sie mir gerade wieder sehr gut. Nein, es ist niemand gestorben, kein Mensch. Aber, altbekanntes Thema, eine Zeit... Zwei Jahrzehnte verbrachte ich im Nest und in sicherer Entfernung. Dann kamen die Flugversuche und auch die ersten längeren Flüge. Doch jetzt ist es Herbst. Die Vögel treten ihre Reise an. Und ich werde dabei sein. Ich alleine. Ich werde fliegen. Ob ich will oder nicht. Ich werde fliegen.
Doch auch dazu habe ich gerade einen tollen Satz von Goethe gefunden:
"Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel"